Dieser Tage ging durch die Presse, dass ein Sportartikelhersteller in Deutschland seinem Versprechen, wenig oder un-gebrauchte Sportschuhe zum Wiederverkauf aufzubereiten, entgegen gesetzlichen Auflagen nicht nachkommt, sondern bestenfalls durch Shreddern der Rückläufer teilweise Grundmaterial für die Neuproduktion per Recycling gewinnt. Dazu: Eine vom Autor erworbene Coca-Cola-Getränkeflasche weist gerade mal eben 15 % Plastik-Wiederverwendung aus. Beides typische Fälle von Greenwashing-Propaganda marktbeherrschender Markenunternehmen.
Stoffkreisläufe bis zu einem perfekten Kreislauf von nahe 100% vollständig zu machen ist das Konzept, das der im Umfeld von KlimaVerbund tätige Chemiker Michael Braungart vor mehr als 20 Jahren unter der Bezeichnung „Von der Wiege bis zur Bahre“, englisch „Craddle-to-Craddle“ (C2C), miterfunden und zum bis heute perfektesten System einer zertifizierbaren Kreislaufwirtschaft mit ausgebaut hat.
Die Grundidee ist, dass jedes Produkt nach seiner Erst- und dann Folgeanwendung, wieder prozessiert und neuerlich in den Produktionskreislauf eingespeist wird. Das beginnt am einfachsten mit der Rücknahme von direkt neuerlich verwendbaren Produkten, über ggf. Reparatur oder, falls, wie bei Elektronikgeräten, nicht mehr reparabel, Aufspaltung von Kombinationsprodukten in ihre wieder verwendbaren Komponenten, bis zum Ende hin zu einer umweltunterstützenden, zumindest die Umwelt nicht belastenden Kompostierung von nicht mehr verwendbaren Stoffen.
In der Gesamtanalyse schließt eine solche Produktion die Nutzung erneuerbarer Energien, CO2-Minimierungen sowie soziale Standards in den Produktionsunternehmen ein.
Die Glaubwürdigkeit der Einhaltung solcher Standards wird durch ein strenges Zertifizierungssystem gesichert, das vom Cradle to Cradle Products Innovation Instituts C2CPII mit Sitz in San Francisco (USA) nach einem ganzheitlichen Bewertungsschema überprüft, nach dem Produkte sowohl in ihrer Gesamtheit, wie auch in ihren Bestandteilen qualifiziert und zertifiziert werden können. Da die hunderttausenden von Produkten über alle Branchen hinweg nicht einheitlich und für spezifische Unternehmen nur in einer individuellen Auswahl zertifizierbar sind, bietet das C2C-Modell an, jedes einzelne Produkt, das in das gesamte Endprodukt eingeht nach Maßgrößen der Wiederverwendbarkeit und ökoverträglichen bzw. ökotoxischen Umwelteigenschaft zu qualifizieren, was beweisbar zu dokumentieren ist. Dabei ergibt es sich zwangsläufig, dass nicht jedes Produkt den gleichen Level von Reycling- und Umweltverträglichkeit erfüllt, weswegen die Stufen Basic, Bronze, Silber, Gold oder Platin eingeführt wurden. Die Zertifizierung muss regelmäßig, im Standardfall alle zwei Jahre erneuert werden.
In Österreich gilt das Melker Unternehmen Gugler Kommunikation mit insbesondere seiner Druckerei als Vorzeigeunternehmen für die Realisierung der Craddle-to-Craddle-Produktionsphilosophie und hat es über mehr als 10 Jahre geschafft, die in seiner Branche exklusive europäische Spitzenposition der Stufe Gold zu erreichen. Indikatoren für diesen Erfolg sind, dass von ursprünglich 4 Produkten bis November 2020 insgesamt 40 Materialien Cradle-to-Cradle-zertifiziert waren, wovon 18 Gold und 22 Silber erhielten (wobei ab Stufe Silber Materialien nicht mehr giftig, reizend, ätzend, krebserzeugend, leichtentzündlich oder umweltgefährlich sein dürfen). In der Produktion gab es für das Wassermanagement ebenfalls Gold, sowie für die Nutzung erneuerbarer Energien sogar Platin – vor allem wegen der hauseigenen Photovoltaik-Anlage. Das Summenergebnis endete in der Goldmedaille.
Da, wie gesagt, die eingesetzten, auch aus der Lieferkette bezogenen Produkte und damit Einzelzertifizierungen, je nach Branche höchst unterschiedlich sind, empfiehlt es sich für jedes produzierende Unternehmen, das sich dem C2C-Modell verpflichten will, sich zu Beginn einen Überblick anhand einer C2C-Datenbank zu verschaffen, so z.B. bei http://www.c2c-centre.com/products oder Information direkt beim Non-Profit-Zertifizierungsinstitut https://www.c2ccertified.org/ einzuholen. Für C2C-Strategien erachtet sich KlimaVerbund als Plattform für den Austausch von Erfahrungen bei der Einführung von Kreislaufkonzepten bei KMU.
Autor: Günter Koch