Soziale Nachhaltigkeit in der Lieferkette
von Manfred Kofranek

Mit den neuen EU-Direktiven zur Nachhaltigkeit von Unternehmen kommen auch auf KMU neue Herausforderungen zu. Was bedeutet das konkret?

Die EU möchte im Rahmen der Umsetzung des „Green Deals“ auch die Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen und erarbeitet derzeit zwei wesentliche Direktiven, die einerseits die Sorgfaltspflicht (Corporate Due Diligence – CSDDD) und andererseits die Berichtspflicht (Corporate Sustainability Reporting – CSRD) für größere Unternehmen (ab 250 Mitarbeitenden) regeln sollen. Es ist zu erwarten, dass diese Pflichten spätestens ab dem Geschäftsjahr 2024 schlagend werden. Obwohl viele KMU unter diese Größengrenze fallen, ist dennoch zu erwarten, dass in absehbarer Zeit abgeschwächte Varianten dieser Pflichten auch für KMU erlassen werden, und jedenfalls sind kleinere KMU auch dann betroffen, wenn sie selbst als Zulieferer für größere Unternehmen tätig sind. Solche Kunden werden in Zukunft nachfragen müssen, wie ihre Lieferanten in Bezug auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit arbeiten. Es lohnt sich also, sich schon jetzt mit diesen Anforderungen auseinanderzusetzen, um rechtzeitig vorbereitet zu sein.

Wir sprechen zwar derzeit nur von Entwürfen der Direktiven, es ist jedoch anzunehmen, dass diese auch größtenteils so umgesetzt werden. CSRDDD wird üblicher Weise mit der Lieferkettenthematik assoziiert, weil die Sorgfaltspflicht sich nun erstmals auch auf die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken soll. Einen guten Einblick in das, was hier betrachtet werden soll, bietet der aktuelle Entwurf für den Berichtsstandard (European Sustainability Reporting Standard – ESRS). Dieser umfasst neben allgemeinen Informationen zum Unternehmen 5 ökologische, 4 soziale und einen Unternehmensführungs-Abschnitt. Hier sollen nur die sozialen Aspekte beleuchtet werden.

Ein Abschnitt befasst sich mit den eigenen Mitarbeitenden, einer mit jenen der Zulieferer, einer mit den Kund:innen und einer mit dem lokalen Gemeinwesen. Unter sozialer Nachhaltigkeit wird generell verantwortliches Wirtschaften unter Berücksichtigung der Interessen dieser Stakeholdergruppen verstanden. Grundvoraussetzung ist jedenfalls, dass ein Unternehmen sich seiner Wirkungen auf diese Gruppen bewusst ist – das ist auch schon der erste Schritt der geforderten Analyse.

Welche (wesentlichen) Wirkungen hat die Tätigkeit meines Unternehmens (von der Beschaffung bis zum Produkt oder zur Dienstleistung) auf Umwelt und Gesellschaft? Dieser Impact reicht aber über direkte Lieferant:innen oder Kund:innen hinaus, was vor allem bei Produktionsbetrieben sehr weit gehen kann. Woher kommen meine Rohstoffe oder Halbfertigwaren, unter welchen Arbeitsbedingungen werden diese gefördert oder produziert? Welche gesellschaftlichen Wirkungen haben meine Dienstleistungen? All das soll berücksichtigt und auf mögliche Risiken untersucht werden.

Eine Einschränkung erfährt das Ganze durch den Begriff der doppelten Wesentlichkeit. Ist ein Thema aus betrieblicher Sicht wesentlich (das betrifft auch finanzielle Auswirkungen, wie sie schon jetzt in diversen wirtschaftlichen Berichtsstandards betrachtet werden müssen), oder ist es für die Stakeholder wesentlich? Wenn auch nur eines zutreffend erscheint, dass muss berichtet werden. Der Schweregrad der Auswirkung ist dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Wahrscheinlichkeit, dass eine potenzielle Auswirkung tatsächlich eintritt.

Neben diesen Auswirkungen sind auch Maßnahmen zu berichten, die das Unternehmen setzt um negative Auswirkungen abzumildern. Und hier geht es in der Lieferkette sicherlich einerseits um Transparenz (werden z.B. alle sozialrechtlichen Verpflichtungen eingehalten), andererseits aber auch um Einflussnahme auf die Zulieferer, damit etwaige Missstände gar nicht entstehen oder rasch beseitigt werden.

Den normativen Rahmen bildet dabei jedenfalls das Arbeitsrecht, das sinngemäß auch auf Beschäftigte in anderen Ländern übertragen werden muss. Zu berücksichtigen sind aber auch die Achtung der Menschenwürde und der Grundfreiheiten oder auch Gleichstellungsthemen, die sich z.B. aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, oder der Europäischen Sozialcharta ableiten.

Thematisch geht es z.B. um die tarifvertraglicher Absicherung (Einhaltung von Kollektivverträgen) und um einen gewissen sozialer Dialog (z.B. mit den Betriebsräten). Aber auch das Gesundheits- und Sicherheitsmanagement steht auf den Prüfstand, oder die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Berichtet werden müssen darüber hinaus Kennzahlen zu Diversität, zur fairen Vergütung (Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen), Maßnahmen zur sozialen Sicherheit, zu Ausbildung und Kompetenzentwicklung. Auch die Work-Life-Balance ist Thema, womit sich der Kreis zum Themenkomplex „new work“ schließt.

Was ist also zu tun? Man könnte verleitet sein, derzeit einmal abzuwarten, weil ja noch nichts ganz konkret ist. Besser erscheint es aber allemal sich frühzeitig vorzubereiten und sich erste Gedanken zumindest über soziale Wirkungen und Risiken des eigenen Geschäfts auf Zulieferer und Kund:innen zu machen. Je konkreter man darüber Bescheid weiß umso leichter wird die Beantwortung des ersten Fragebogens sein, den einem der Hauptkunde zuschickt um seinen eigenen Berichtspflichten entsprechen zu können. Und das könnte schon morgen passieren ….




New Work braucht Führung