Nachhaltigkeitsaudits – wem nützt das?
Kommentar von Manfred Kofranek

Dieser Beitrag setzt sich kritisch mit der Sinnhaftigkeit von Nachhaltigkeits-Audits auseinander und skizziert einen Weg, wie diese nutzbringend und praktikabel gestaltet werden können.

Die meisten Unternehmen waren irgendwann schon einmal mit einem Audit konfrontiert, entweder weil dies Teil ihres internen Qualitätsmanagements ist oder weil sie nachweisen mussten, dass sie gemäß einer bestimmten ISO-Norm arbeiten. Aber auch im Bereich Umweltmanagement oder Nachhaltigkeit werden zunehmend Audits gefordert, vor allem dann, wenn man ein bestimmtes Label oder Gütesiegel erwerben möchte. Gerade in diesem Bereich werden Audits aber zunehmend kritisch betrachtet, vor allem wegen mangelnder Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Aussagekraft und Vertrauenswürdigkeit oder fehlender Einbeziehung unterschiedlicher Stakeholderperspektiven (siehe dazu z.B. die kürzlich erschienen Publikation von Südwind siegelcheck.suedwind.at). Auch in Bezug auf den internen Aufwand besteht oftmals Unzufriedenheit in Unternehmen. Kritisch zu hinterfragen sind daher der Nutzen von Audits insgesamt, die Qualität der zu prüfenden Standards, aber auch das Auditverfahren selbst.

Im Wesentlichen profitieren zwei Gruppen von der Durchführung eines Audits:

·         das Unternehmen erhält ein Feedback von außen und kann aus dem Prozess lernen und sich verbessern. Darüber hinaus lässt sich ein geprüftes Siegel in vielen Fällen auch gut vermarkten. Es kann ein Imagefaktor sein, lässt Differenzierung von Mitbewerbern zu und signalisiert Vertrauenswürdigkeit.

·         die Öffentlichkeit erhält einen besseren Einblick in die gelebten Praktiken des Unternehmens - wie wird gesellschaftliche Verantwortung verstanden und tatsächlich gelebt, welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit, wie professionell agiert das Unternehmen? Das kann eine gute Basis für Kaufentscheidungen sein, Partnerschaften begründen oder  bei der Jobsuche ein wichtiges Kriterium sein.

Damit dieser Nutzen entsteht, muss ein Audit verschiedene Kriterien erfüllen:

·         Zentral erscheint die Prüfung der vom Unternehmen publizierten Fakten:  Dazu braucht es jedenfalls einen schriftlich vorliegenden Nachhaltigkeitsbericht, der wesentliche Kenngrößen beinhaltet. Geprüft werden sollte neben der Korrektheit und Genauigkeit der Daten vor allem deren Aussagekraft – entsprechen sie dem Berichtszeitraum, haben sie einen Bezug zu Unternehmenszielen und den wesentlichen Tätigkeiten im Unternehmen, sind sie aus strategischer Sicht von Relevanz für die weitere Unternehmensentwicklung?

·         Wesentlich erscheint auch die Vollständigkeit der berichteten Themen in Bezug auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie die damit zusammenhängenden Managementsysteme.

·         Für die Zielgruppen ist auch die Verständlichkeit des Nachhaltigkeitsberichts entscheidend.

·         Die Ergebnisse des Audits sollen nachvollziehbar dargestellt werden, dies kann aber aufgrund der Fülle der Daten und einer konkurrenzbedingten Geheimhaltung manchmal durchaus schwierig sein.

·         Die Glaubwürdigkeit  eines Berichts wird sich je nach Zielgruppe anders darstellen, Ziel wäre aber dennoch eine für alle Leser:innen überzeugende Darstellung.

·         Falls mit dem Audit auch eine Bewertung verbunden ist, stelle sich die Frage nach welchen (objektiven) Maßstäben dies geschehen kann.

Die Probleme beginnen oft schon mit der Auswahl eines Nachhaltigkeitsstandards durch das Unternehmen selbst. Die meisten Standards decken nur Teilbereiche ab, gehen in einzelnen Feldern nur wenig in die Tiefe oder überlassen dem Unternehmen großzügig die Auswahl der zu berichtenden Themen. Viele Standards oder Gütesiegel werden intransparent entwickelt, eine Beteiligung wichtiger Expert:innengruppen oder NGOs findet nur selten statt.

Für den Nachhaltigkeitsbericht selbst erscheint daher die nachvollziehbare Relevanz der ausgewählten Berichtsinhalte und der dazu gehörigen Daten besonders wichtig. Im künftigen EU-Standard ESRS wird daher die doppelte Wesentlichkeit bei der Themenauswahl betont, ohne aber ein konkretes Verfahren für diese Auswahl anzugeben.

Grundlage für das Audit ist immer ein gutes Verständnis für die faktische Tätigkeit des Unternehmens. Ist dies aus dem Bericht mit dazugehörigen Erläuterungen und Kenngrößen nicht erkennbar, lässt sich keine Aussage über die Relevanz treffen. Eine nachvollziehbare Einbindung wichtiger Stakeholdergruppen (Kund:innen, Mitarbeitende, Lieferant:innen) sollte daher möglichst schon bei der Erstellung stattfinden, im Audit selbst ist dies oft nur eingeschränkt möglich.

Praktisch alle Auditverfahren fokussieren sich derzeit auf die Kontrolle von Berichten und Praktiken. Aber ebenso wie eine schulische Prüfung nicht nur eine Leistungsfeststellung sondern auch ein wesentlicher Schritt im Lernprozess sein sollte, kann man ein Audit als integralen Teil des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements und der Weiterentwicklung verstehen. Erfahrungsgemäß hängt dessen Erfolg aber entscheidend von der kooperativen Lernfähigkeit des Unternehmens gemeinsam mit seinem Umfeld ab. Es braucht daher einen kreativeren Weg der Erstellung von Berichten, möglichst unter Partizipation der wichtigsten Stakeholder.

Ein Audit selbst liefert aber auch niemals ein 100% sicheres Ergebnis. Ein Zertifikat ist eine Bescheinigung für ein Art Expertengutachten, es gibt keine Garantien für die Richtigkeit der Bewertung. Durch entsprechende partizipative Auditverfahren wird aber das Risiko einer Fehleinschätzung deutlich reduziert. Kein Audit kann alle Fakten überprüfen, es besteht immer die Möglichkeit der Täuschung oder des Übersehens wichtiger Fakten. Durch die Unabhängigkeit, Expertise und Erfahrung der Auditor:innen wird dies aber unwahrscheinlicher, sodass man schließlich dem Ziel der Glaubwürdigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sehr nahe kommen kann.

Der Verein ImpactZert arbeitet an der Entwicklung neuer, ESRS-kompatibler Auditverfahren. Wenn Sie sich aus Expert:innensicht oder mit praktische Erfahrung aus Unternehmenssicht in diesen Prozess einbringen möchten, kontaktieren Sie uns.

ImpactZert berät Sie auch gerne entlang des gesamten Berichterstellungprozesses, von der Auswahl des Standards bis hin zu einzelnen Kenngrößen für die Wirksamkeit ihrer Nachhaltigkeitsbestrebungen. Zusätzlich bieten wir auch gerne unabhängige Audits nach unterschiedlichen Standards an.

 


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von Boris König, BOSOO GmbH